Anfang Dezember eröffnete das Berliner Unternehmen Pioneer Medical Devices AG einen neuen Produktionsstandort in Aschersleben. Das vom Tochterunternehmen Ascamed GmbH betriebene Zentrum wurde in mehr als zwei Jahren Bauzeit für rund 6 Mio. € errichtet. In Teilschritten sollen hier rund 65 Arbeitsplätze entstehen, und man strebt ein europaweites Umsatzvolumen von rund 20 Mio. € an.
Bei der Eröffnung hoben der damalige Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr, der Minister für Wirtschaft und Wissenschaft in Sachsen-Anhalt Hartmut Möllring sowie der frühere Vizepräsident des Europäischen Parlaments Dr. Ingo Friedrich die wirtschaftliche und gesundheitspolitische Bedeutung der Wiederaufbereitung von Medizinprodukten hervor. Der Vorstandsvorsitzende der Pioneer Medical Devices AG Robert Schrödel erläuterte: „Wir schaffen neue Einsparpotentiale im Gesundheitswesen ohne jeglichen Qualitätsverlust und tragen dazu bei, dass bestimmte medizinische Eingriffe deutlich preiswerter durchgeführt werden können.“ Verglichen mit den Kosten für Einmal-Instrumente könnten Kliniken mit aufbereiteten Medizinprodukten durchschnittlich bis zur Hälfte einsparen.
In Aschersleben setzen innovative Technologien neue Maßstäbe für die Wiederaufbereitung von Medizinprodukten: kurze Aufbereitungszeiten durch weitgehend automatisierte Verfahren wie Robotik und vollintegrierte Prozesssteuerung, garantiert schonende Produktbehandlung durch sensible Aufbereitungsverfahren sowie integriertes Hygienemanagement.
M & K: Sie wollen neue Arbeitsplätze schaffen und haben ambitionierte Ziele für das erwartete Umsatzvolumen für die nächsten fünf Jahre …
Robert Schrödel: Mittelfristig werden 65 qualifizierte Arbeitsplätze in Aschersleben entstehen. Mit der jüngsten Entscheidung des Europäischen Parlaments vom Oktober 2013, Aufbereitungsverfahren unter strengen Auflagen für Medizinprodukte zu befürworten und zu regeln. Unabhängig von ihrer ursprünglichen Kennzeichnung steht uns das Tor zum europäischen Markt offen, sofern im Europäischen Rat Zustimmung und Konsens zum Parlamentsbeschluss gefunden werden kann.
Wo sehen Sie die wesentlichen Vorteile für Ihre Kunden?
Schrödel: Die Vorteile für unsere Kunden liegen einfach in der Effizienz und der Nutzung von Einsparpotentialen ohne Sicherheits- und Qualitätsrisiken. In der heutigen Zeit, wo viele Krankenhäuser unter extremem Kostendruck leiden, ermöglicht die Aufbereitung komplexer Medizinprodukte einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Kostensenkung.
Was ist unter „komplexe Medizinprodukte“ zu verstehen?
Schrödel: „Komplex“ sind Medizinprodukte, wenn sie nicht nur aus glatten, gut reinigbaren Oberflächen bestehen und für einfache Funktionen (z. B.: das Schneiden mit einem Skalpell) hergestellt worden sind. Komplexe Medizinprodukte zeichnen sich häufig über einen Materialmix in der Bauart mit thermolabilen Materialien und komplexeren Funktionen für die Diagnostik oder die Therapie und mit schwer zugänglichen Gelenk- oder Hohlräumen aus, welche die Reinigung und Funktionsüberprüfung erschweren.
Beim Elektrophysiologiekatheter werden beispielsweise in der umfangreichen fertigungsbegleitenden Funktionsprüfung sowohl elektrische als auch mechanische Prüfungen bei allen Produkten durchgeführt. Dazu gehören u. a. die Messung der Durchgangs- und Isolationswiderstände, der Kapazitäten, die Überprüfung der Temperatur- und Drucksensoren sowie der Test der Steuerbarkeit der Katheterspitzen.
Solche eben beschriebenen Produkte sollten nun abhängig von ihrer Kennzeichnung in speziellen und dafür zugelassenen Medizinprodukteaufbereitungseinrichtungen, wie wir sie hier in Sachsen-Anhalt errichten konnten, behandelt werden. Wir betreiben bereits zwei Anlagen, und vier weitere sind geplant.
Sind Ihre Anlagen in Bochum und Aschersleben im Leistungsspektrum gleichwertig?
Schrödel: Jede Einrichtung zur Aufbereitung komplexer Medizinprodukte muss dem Gesetz nach gleich hohen Anforderungen für die Aufbereitung und der zu validierenden Verfahren aufweisen.
An unseren bisherigen Standorten bilden wir naturgemäß Schwerpunkte, um den Grad der Spezialisierung sowie der Innovationsgeschwindigkeit durch Einführung neuer Medizinprodukte standhalten zu können. Hier in Aschersleben konzentrieren wir uns vornehmlich auf die Kardiologie/Elektrophysiologie, die renale Denervation und der Aufbereitung flexibler Endoskope und Instrumente.
In den Arbeitsbereichen der Herstellung komplexer Medizinprodukte hier in Aschersleben ist das Spektrum derzeit nicht eingeschränkt, sodass wir hier auch Medizinprodukte der Orthopädie oder der minimalinvasiven Chirurgie im Fokus haben.
Worin bestehen denn die Vorteile Ihrer Arbeit für Patienten?
Schrödel: Das kann man am besten an einem Beispiel deutlich machen. Elektrophysiologie und Ablationstherapie sind sehr segensreich, beispielsweise für Patienten mit Herzflimmern und starken Herzrhythmusstörungen. Sie ist aber sehr, sehr teuer. Und zwar deshalb, weil sie gemeinhin entwickelt sind, um mit sogenannten Einweg-Medizinprodukten durchgeführt zu werden. Man braucht für einen solchen Eingriff beim Menschen meist drei bis vier Katheter, die mehrere Tausend Euro kosten können, und dann bleibt kein Deckungsbeitrag mehr übrig, um wirtschaftlich zu arbeiten.
Das Krankenhaus muss abwägen und ermitteln, wie viele solche Eingriffe man sich leisten kann, wenn die Medizinprodukte nicht aufbereitet werden. Bereitet man aber auf, so spart man bis zu 50 % der Materialkosten und kann mit den Erlösen, die dem Krankenhaus seitens der Krankenkassen erstattet werden, auch gut arbeiten. Das kommt den Patienten zugute, denn wir haben in Deutschland eine hohe Rate an elektrophysiologischen und ablativen Eingriffen. Die sind deshalb für den Menschen gut, weil die Patienten nach einer solchen Therapie zu etwa 95 % final, also endständig geheilt sind und nicht ihr Leben lang Betablocker und andere Medikamente schlucken müssen. Um es kurz zu sagen: Die Aufbereitung teurer und hochkomplexer Medizinprodukte hilft, innovative Medizin zu bezahlbaren Preisen möglichst vielen Menschen zur Verfügung zu stellen.
Welche Unternehmensziele hat Pioneer und welche Strategie verfolgen Sie?
Schrödel: Die Ziele von Pioneer sind klar: Wir bieten nur Leistungen an, die Effizienz und Wirtschaftlichkeit im Krankenhaus steigern. Ob nun Produkte oder Dienstleistungen – wir wollen einen Beitrag dazu leisten, ohne Qualitätsverlust Effizienz und Wirtschaftlichkeit zu steigern. Das ist oberstes Ziel des Unternehmens in allen Geschäftsbereichen.
Und die Strategie von Pioneer liegt darin, zunächst, in der ersten europäischen Ausweitung unsere Dienstleistungen und Produkte auch in anderen europäischen Ländern anzubieten. Und dass wir immer stärker und tiefer in die Herstellung eigener Medizinprodukte gehen, die dann von Anfang an überhaupt nicht mehr als „single-use“ gekennzeichnet werden, sondern als „limitiert aufbereitbar“ in den Markt gehen. Die müssen dann zwar auch in unseren Zentren und nicht im Krankenhaus aufbereitet werden, aber dann sind es unsere eigenen Medizinprodukte, und deren Behandlungsakzeptanz wird dadurch noch zunehmen.
Was bedeutet eigentlich „limitiert“ aufbereitbar?
Schrödel: Bei den komplexen Medizinprodukten muss vorher eine Grenze zur Anzahl der Aufbereitungen festgelegt werden. Ein Skalpell kann im Krankenhaus theoretisch unendlich oft aufbereitet werden, bis es halt nicht mehr schneidet. So können wir nicht vorgehen. Wir müssen bei unseren Produkten vorher bei den Validierungen genau festlegen, wie oft aufbereitet werden kann, um das Medizinprodukt noch hygienisch und funktional sicher anwenden zu können. Bei diesen Validierungen wird festgestellt, wie oft das Medizinprodukt aufbereitbar ist.
Was hat Sie bewogen, neben Berlin und Bochum auch noch Aschersleben als Standort zu wählen?
Schrödel: In Berlin haben wir die Forschung und Entwicklung, das Qualitätsmanagement und die allgemeine Verwaltung konzentriert. Und die Aufbereitung bzw. die Herstellung machen wir an den Standorten Bochum und Aschersleben. Wir sind in den letzten zwei Jahren stark gewachsen, sodass trotz eines Zweischichtbetriebes die bisherigen Räumlichkeiten und technischen Möglichkeiten für eine weitere Geschäftsausweitung einfach nicht mehr ausreichten. Weitere Punkte sind die gute geografische Lage Ascherslebens und die Anbindung an die Transportmöglichkeiten, wie Autobahn und Flughafen, zur schnellen Versorgung unserer in- und ausländischen Kunden gewesen.
Quelle:
Management & Krankenhaus 1–2/2014, S. 25, WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, GIT VERLAG, Weinheim
www.gitverlag.com www.management-krankenhaus.de